Es begann mit dem traditionellen Schwalenberger Blaudruck und der Ausstellung mitBLAU
– Daraus wurde mein Kartendeck – MATRIA SKAT
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Hier geht es um den Entstehungsprozess meines Kartendecks mit Bienen, ein Kunstprojekt mit dem Namen „MATRIA SKAT“. Seinen Ursprung hat dieses Skat Deck in meiner Beschäftigung mit dem „Schwalenberg Blaudruck“. Darum zuerst einiges zu Tradition und Entwicklung dieses Handwerks. Die Auseinandersetzung brachte mir neue Impulse und Ideen. Es entstand zunächst eine einzelne Spielkarte, woraus sich ein ganzes Kartendeck entwickelte – mit einer Mission, die mir am Herzen liegt: Es geht um Traditionen im Wandel, um die Natur, um Bienen und um unser gleichberechtigtes Zusammenleben.
Wenn Du mehr zur Ausstellung mitBLAU und die weiteren teilnehmenden Künstler*Innen erfahren möchtest, kannst Du diesem Link folgen
Was ist Blaudruck?
1. Entwicklung: Von Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Region Lippe Heimat dieses Stoffdruckverfahrens. Es entstanden weiße Muster auf blau gefärbten Stoffen z.B. für Tischdecken, Gardinen und Kleidungsstücke. Die Motive waren geprägt von einer Regionalität, wie sie heute kaum noch zu finden ist. Naive Naturmotive wurden mit Hilfe von geschnitzten Holzmodeln auf Stoffe aufgebracht. Dafür wurden diese Holzstempel mit dem sogenannten „Papp“ bestrichen, um damit den Stoff quasi zu imprägnieren. Mit der Ausspartechnik färbte sich das Tuch nur an den nicht behandelten Stellen. Der „Papp“, ein zäher, heller Brei, wurde von den Meisterbetrieben nach geheimen Rezepten hergestellt. Die Herstellung war damals schon mit soviel Chemie belastet, dass sie heute nicht mehr im Privathaushalt und ohne entsprechende Filteranlagen angewandt werden darf.
2. Das Blau: Die blaue Farbe wurde ursprünglich mit der heimischen Färberdistel und mit Hilfe einer Menge menschlichen Urins angerührt. Den Geruch an den Tagen des „Blaumachens“ mag ich mir lieber nicht vorstellen. Damit übrigens der Urin reichlich fließen konnte, wurde von den Handwerkern zur Vorbereitung gerne Bier konsumiert. Am Tag danach gab es bestimmt bei einigen Gesellen entsprechende Nachwirkungen – weshalb wir heute noch den Begriff des „Blau machens“ verwenden.
3. Fortschritt: Im 20. Jahrhundert setzte sich dann mehr und mehr das importierte Indigo gegen die heimische Färberdistel durch. Einerseits vereinfachte das Indigo die Herstellung, andererseits schadete die leichtere Verfügbarkeit der Exklusivität des heimischen Handwerkes.
Soweit meine Recherche zur künstlerischen Auseinandersetung mit dem Thema. Nun stellte ich mir die Frage:
Wie nah muss ich denn dran bleiben an der Tradition?
Denn je mehr ich mich mit dem Blaudruck beschäftigte, um so deutlicher sah ich die starre hierarchische Stuktur des Handwerks. Und natürlich war der Meistertitel im Blaudruckhandwerk allein den Männern vorbehalten war. Auch Gesellinnen gab es selbstverständlich nicht.
Tradition und Idylle – das war Blaudruck
Nicht jede Tradition ist erhaltenswert – die alten Strukturen auf den Kopf zu stellen, war darum mein Ziel in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Handwerk. Die Herstellung des Blaudruckes war wie oben bereits erwähnt auch eine ziemliche Umweltbelastung – an den Färbetagen waren die Bäche der Umgebung blau und mit Chemikalien belastet – ganz abgesehen vom Gestank…
Die erste Spielkarte entsteht
Die Idee der Spielkarte war schnell geboren. So konnte ich sehr direkt alles auf den Kopf stellen – Die traditionellen Trachten habe ich dem Look von Borkenkäfern angepasst. Nun stehen die beiden Käferartigen der Tradition gegenüber. Alles ist im Wandel. Die rotweisse Einrahmung ist dem Flatterband geschuldet, das in der Corona Zeit allgegenwärtig war – ausgrenzend, eingrenzend, grell.
Blaudruck bleibt Blaudruck bleibt Blaudruck bleibt Blaudruck….?
Aber muss das Werk zum Blaudruck denn unbedingt blau sein?
Je intensiver ich mich mit den dystopischen Figuren und Insekten beschäftigte, umso mehr trübten ihre Erscheinungen allerdings meine Laune. Denn ich suchte nach weiteren Motiven und wollte dabei die Idee mit den Spielkarten weiter verfolgen. Nach etlichen Entwürfen wurde mir der blauweiße Kontrast zu kalt in seiner Ausstrahlung. Und für ein klassisches Skat Deck braucht es doch auch wenigstens zwei Farben, um im Spiel die Orientierung zu erleichtern, oder? Ich wollte schließlich gern ein spielbares Kartendeck entwerfen. Das führte zur nächsten Überlegung: Ich brauche mehr Farbe!
…und noch eine überholte Tradition:
Dass ich für ein spielbares Kartendeck mehrere Farben verwenden werde, hatte ich bereits entschieden. Bei näherer Betrachtung der vielen überlieferten Kartendecks stieß ich allerdings auf die nächste Einschränkung. Denn: Grundsätzlich führt der König seinen Hofstaat an. Ach Leute. Es ist Zeit für Neues.
Mit mehreren Farben würde es mir ja schon gelingen, ein Kartendeck mit positiver Ausstrahlung zu gestalten. Die Rangordnung mit dem König würde ich ändern. Aber wären Borkenkäfer tatsächlich die geeigneten Botschafter für frische Perspektiven? Ich habe ja persönlich nichts gegen Borkenkäfer und sie sind auch sicherlich nicht die Verursacher des Waldsterbens…
Die gute Botschaft: Biene, Dame, Königin
…aber viel optimistischer als bizarre Krabbelkäfer würden doch die lieben kleinen Bienen ihre „Positiv Vibrations“ entfalten können. Tja, so nahm die Entwicklung ihren Lauf. Ein ganzer Bienenstaat ist entstanden. Die Drohne, also die männliche Biene, ist der Bube. Als Ass im Spiel ergab sich schnell die Honigwabe. Die Zeichnungen sind am Computer entstanden. Aber glaub mal nicht, dass das die Sache vereinfacht. Im Gegenteil – Es ergeben sich so unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten im kleinsten Details – die habe ich reichlich genutzt. So trägt jede Biene eines der traditionellen Muster. Jede Farbe, jede Zahl präsentiert ein eigenes Motiv des traditionellen Schwalenberger Blaudruckes – alte Tradition im neuen Gewand. So lautete mein Ziel. Hier siehst Du, wie ich es umgesetzt habe.
Matria Skat
Das ganze Kartendeck bekommst Du hier. Es gibt allerdings nur in eine sehr kleine Auflage
Matria Skat war Teil der Ausstellung mitBLAU Anfang 2024 in Schwalenberg. Der Katalog zur Ausstellung ist erhältich direkt im Kunstverein Schwalenberg oder beim Krautin Verlag